Im August 2022 verbrachte ich drei Wochen in Georgien. Es war meine erste Reise, die komplett bei einem Reisebüro gebucht wurde. Im Unterschied zu einer selbst organisierten Reise war das Tempo bei dieser von einem Reisebüro gestalteten Tour atemberaubend schnell. Es wurde kein einziger Tag verschwendet und auch die Tage selbst waren prall mit Aktivitäten oder Transfers gefüllt. Dadurch war die Reise für mich nicht besonders erholsam. Man hat auch nicht die Freiheit sich das anzuschauen, was einen interessiert, z.B. bestimmte Museen. Auf der Plusseite steht eine enorme Zeitersparnis, dadurch dass alles durchorganisiert war. Bei einer selbst organisierten Reise würde man es nie schaffen, in so kurzer Zeit so viel zu sehen und so viele Aktivitäten durchzuführen. Viele Bergregionen in Georgien sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch immer sehr schwer erreichbar, sodass es vermutlich viel Mühe, Zeit und Geld kosten würde, um individuell dorthin zu gelangen.
Der August ist auch in Georgien die touristische Hochsaison. Dennoch gab es sogar in den touristischen Hochburgen höchstens einen gemäßigten Andrang. Beim Wandern im Hochgebirge war unsere Wandergruppe aus 12 Teilnehmern und einem einheimischen Führer meist alleine unterwegs. Nichtsdestotrotz ist die touristische Infrastruktur was die Unterkünfte angeht recht gut. Es gibt viele schöne, moderne Hotels in den Städten und auch sehr passable Gasthäuser in den Bergdörfern. Allerdings gibt es immer noch viele Lücken in der Infrastruktur, insbesondere in den Berggebieten, wo Trekking mit dem Zelt die einzige Option ist. Die Verkehrsanbindung in die Berggebiete bietet noch viel Verbesserungspotential. Viele "Straßen" sind nur mit Fahrzeugen mit Allradantrieb befahrbar, und auch dann sehr abenteuerlich bis zum Teil sogar lebensgefährlich.
Georgien ist ein kleines Land in etwa so groß wie Bayern. Dennoch dauern Fahrten ins Gebirge wegen der schlechten Strassen häufig ganze Tage. 20 % des Landes wird von Russland okkupiert, die Provinzen Südossetien und Abchasien. Mit nur vier Millionen Einwohnern hat das Land dem aggressiven Nachbarn im Norden wenig entgegenzusetzen. Es herrscht Angst, dass Russland weitere Provinzen annektieren wird und irgendwann mal sogar das ganze Land. Ein Beitritt zur NATO ist wegen Kriegsandrohung seitens Russland gescheitert, sodass Georgien im Falle eines Konflikts auf sich selbst gestellt wäre.
Was die Geomorphologie angeht ist Georgien ein sehr abwechslungsreiches Land. Neben der Küste des Schwarzen Meeres gibt es hohe Berge im Großen Kaukasus mit Gipfeln über 5.000 m Höhe. Im Süden an der Grenze zu Armenien erstreckt sich der bewaldete Kleine Kaukasus. Das Likhi-Gebirge verbindet die beiden Kaukasus-Ketten und teilt dabei Georgien in zwei Hälften: den trockenen Osten und den feuchten, subtropischen Westen. Insgesamt ist Georgien ein kleines Land mit großen Bergen: über 87% der Landesfläche sind bergig, davon befinden sich ganze 20% auf über 2.000 m Höhe.
Georgien wurde schon im dritten Jahrhundert christianisiert und bewahrte seine Religion über Jahrhunderte trotz mehrmaliger Unterwerfungen und Verfolgungen durch islamische Nachbarstaaten wie Persien, Türkei oder die Staaten Zentralasiens. Dadurch ist die orthodoxe Religion ein Teil der nationalen Identität geworden. Die ältesten Sehenswürdigkeiten im Land sind alte Kirchen und Klöster, die jedoch leider meist sehr renovierungsbedürftig sind.
Umstritten ist, ob Georgien zu Europa oder Asien gehört. Geografisch gesehen liegt die südkaukasische Republik gemeinsam mit Aserbaidschan und Armenien auf dem transkaukasischen Landkorridor zwischen Schwarzen und Kaspischem Meer - also eindeutig in Vorderasien. Kulturell gesehen ist das christliche Land Europa aber deutlich näher.
Es gibt in Georgien viele Nationalparks und andere Naturschutzgebiete. Wie in vielen armen Ländern besteht deren Schutz meistens leider nur auf dem Papier. So ist z.B. der Tuscheti Nationalpark durch Nutztiere stark überweidet. Es wird dort vermutlich auch heimlich gejagt. Das könnte der Grund dafür sein, dass wir während unserer Wanderungen durch den Kaukasus gar keine großen Wildtiere wie Gämse oder Steinböcke gesehen haben. Die zu hohen Bestände an Nutztieren wirken sich auch negativ auf die Wasserqualität in den Flüßen und Bergseen aus.

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Das Highlight beim Wandern im georgischen Kaukasus waren für mich die vielen, mittelalterlichen Wehranlagen, die hoch oben über dem Wanderpfad thronen (siehe das Bild oben). Durch die bloße Anwesenheit der Wehrtürme zwischen den Dörfern fühlt man sich beim Wandern, als ob man die ganze Zeit von oben beobachtet wäre. So etwas ist weltweit einzigartig und deshalb als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Ähnlich interessant waren auch die Übernachtungen in den Wehrhäusern in den Bergdörfern.
Ein anderes Highlight ist die georgische Küche. Es gibt in Georgien eine Reihe sehr schmackhafter Gerichte, die man sonst nirgendwo kennt. Meist werden diese Gerichte mit Wein serviert: Georgien ist ein uraltes, traditionsreiches Weinanbaugebiet. Das alles hat dazu geführt, dass ich während der Reise kaum abgenommen habe. Schuld daran waren auch die drei üppigen Mahlzeiten am Tag, die zu den vereinbarten Leistungen des Reiseunternehmens gehörten. Und anders als bei den individuellen Reisen musste ich keine schweren Rucksäcke tragen.
Obwohl Georgien ein eher armes Land ist, sieht man dort im ganzen Land verstreut viele gelungene Beispiele der modernen Architektur. Zusammen mit den alten Bauten sorgen sie dafür, dass die Stadtbilder der größeren Städte durchaus sehenswert sind, auch wenn bei den älteren Bauten häufig noch Renovierungsbedarf besteht.
Alles in allem ist Georgien ein sehr interessantes und empfehlenswertes Land an der Grenze zwischen Orient und Okzident. Aufgrund der landschaftlichen und kulturellen Vielfalt hat das Land sogar Potenzial ein touristisches Mekka und ein Trekking-Paradies zu werden. Dafür muss aber noch das Problem der Überweidung in den Bergen gelöst, die Zugangsstraßen in die Bergregionen weiter verbessert und die Nationalparks und Naturschutzgebiete wirklich der Natur überlassen werden. Das könnte relativ schnell geschehen, wenn Georgien der Beitritt zur EU gewährt wird, um den sich das Land stark bemüht.
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