Von Juli bis Mitte September 2015 habe ich Zentralasien besucht. Mit knapp 2,5 Monaten war das bis jetzt meine längste Reise. Normalerweise beschränke ich mich immer auf ein Land, um alles sehen zu können, was das Land zu bieten hat. Dieses Mal habe ich gleich 4 Länder - Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan – besucht. Daher die längere Reisezeit.
Der Besuch von 4 Staaten brachte leider einige Nachteile mit sich. Zum einen war die Ausdehnung dieser Region enorm. So sah ich mich gezwungen, 3 Inlandflüge zu buchen, was ich sonst nicht mache. Aber ich konnte dadurch nicht nur große Entfernungen überbrücken, sondern auch Probleme wie wegen Erdrutsch gesperrte Hochgebirgsstraßen oder überflutete Tunnel umgehen. Zum anderen war die Überschreitung der Ländergrenzen sehr kompliziert und zeitaufwändig. Das Verhältnis der Staaten untereinander ist leider oft nicht gut, und deshalb gibt es nur wenige Grenzübergänge, die z.T. für Ausländer auch noch geschlossen sind. Um von einem Land ins andere zu gelangen, musste ich über Regionen fahren und in Städten bleiben, die mich eigentlich nicht interessiert haben. Bei den meist schlechten Straßenverhältnissen braucht man für nur 300 km Strecke nicht selten den ganzen Tag. Man muss jedes Schlagloch umfahren und über die hohen Pässe führen nur schmale, steile Straßen.
Trotz all dieser Schwierigkeiten war auch im Nachhinein meine Entscheidung 4 Länder auf einmal zu bereisen richtig. Kasachstan und Usbekistan haben für mich zu wenige Berge, um dort einen ganzen Urlaub zu verbringen. Kirgistan und Tadschikistan bestehen zwar nur aus Bergen, viele Gebiete sind jedoch wandertechnisch noch nicht erschlossen oder der Zugang ist kompliziert und damit sehr kostspielig.
Das Zentralasien ist ein schwieriges Trekking-Gebiet. Nicht nur, dass die Wanderpfade nicht markiert sind, es gibt im Gebirge verwirrend viele davon, angelegt von Hirten und ihren Herdentieren. Besonders auf einem Mehrtagestrekking mit einem großen und schweren Rucksack ist es frustrierend, wenn man einem falschen Pfad lange folgt und dann umkehren muss. Sehr hilfreich waren meine russischen Sprachkenntnisse, da ich die einheimischen Hirten gut nach dem Weg fragen konnte, vorausgesetzt sie waren gerade dort. Fast immer wird man dabei gleich zum Teetrinken eingeladen, wodurch eine halbe Stunde oder länger verstreicht. Das ist normalerweise sehr nett, kann einen aber auch ganz schön unter Zeitdruck setzen, wenn es ein paar Male am Tag geschieht oder wenn der Nachmittag schon fortgeschritten ist aber noch ein hoher Pass zu queren ist. Einen einheimischen Führer anzuheuern lohnt sich vielleicht nur für eine große Gruppe; auch die ärmsten der zentralasiatischen Länder liegen vom Lohnniveau weit höher als viele Länder z.B. in Afrika. Karten gibt es so gut wie keine, und wenn, dann ab einem Maßstab von 1:100.000, die für Trekkingtouren nicht mehr geeignet sind. Da die Berge in Zentralasien deutlich höher als in den Alpen und oben durchgehend vergletschert sind, gibt es kaum Gipfel, die für reine Bergtouren geeignet sind, dafür aber sehr hohe Pässe –um 4.000 m herum. Wenn man bereit ist, zusätzlich zum Zelt und sonstigen Campingutensilien auch eine Gletscherausrüstung mit zu schleppen, hat man natürlich mehr schöne Gipfel zur Auswahl. Berghütten gab es praktisch keine. In manchen Gebieten wäre es möglich gewesen, in den Jurten der Einheimischen zu übernachten.
Die Länder des Zentralasiens waren traditionell ein Tummelplatz für die Alpinisten der ehemaligen Sowjetunion, da hier die höchsten Berge des Landes standen. Auch wenn heute zunehmend westliche Bergsteiger die Berge Zentralasiens entdecken, stellen die "post-sowjetischen" Alpinisten immer noch die Mehrheit. Absolut gesehen kommen gegenwärtig jedoch deutlich weniger Alpinisten als zu Zeiten der Sowjetunion. Nachdem die früheren staatlichen Beihilfen ausbleiben, ist es für die Bergsteiger aus den GUS-Staaten zu teuer geworden. Insbesondere die jüngeren von ihnen entscheiden sich oftmals für das Himalayagebiet, wo es noch höhere Gipfel gibt.

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Der Wohlstand in den Staaten Zentralasiens ist unterschiedlich verteilt. Dies ist deutlich sichtbar am Zustand der Straßen, den Stadtbildern und am Naturschutz. Während das ölreiche Kasachstan es sich leisten kann, eine neue Hauptstadt aus dem Boden zu stampfen, sind große Teile der Bevölkerung der anderen Staaten gezwungen, Arbeit in Moskau und anderen Großstädten Russlands zu suchen. Obwohl so viele Leute arbeitslos sind, werden die Straßen von Chinesen gebaut und Goldgruben in Tadschikistan ebenfalls von Chinesen betrieben. All diese Staaten werden von Diktatoren regiert, mit Ausnahme von Kirgistan, wo Volksaufstände die Etablierung einer Diktatur bis jetzt verhindert haben. Usbekistan ist dazu noch ein Polizeistaat mit übermässig vielen Kontrollen. Beim Grenzübergang werden dort sogar Computer und Smartphones nach Porno-Inhalten durchsucht. Das touristische Potential dieser Länder wäre gewaltig, sowohl was Geschichte und Kultur angeht als auch Landschaft (Berge, Seen, Steppen, Wüsten; alles auf relativ kleinem Raum). Doch werden die Chancen nicht genutzt und kaum in die Infrastruktur investiert. Die Nationalparks werden nur im Kasachstan wirklich geschützt. In den anderen Ländern sieht man in Naturschutzgebieten häufig Weidetiere grasen. In Tadschikistan wird darüber hinaus sogar Besiedlung, Wilderei und Waldraubau in den Naturschutzgebieten toleriert.
Die vorherrschende Religion in Zentralasien ist der Islam. Seine Auslegung wird jedoch sehr liberal gehandhabt. Alkohol wird überall toleriert und in manchen Statten wie z.B. in Kirgistan ist Alkoholismus unter den Männern sehr verbreitet. Es gibt aber Einflüsse von außen, die die Religiosität der Menschen zu verstärken versuchen. So werden z.B. in Kirgistan in jedem Dorf Moscheen gebaut, finanziert von Saudi Arabien. Gegenüber Fremden sind die Menschen sehr nett und vor allem gastfreundlich. Diebstahl oder Überfälle auf Touristen sind dort unbekannt.
Zentralasien hat vieles zu bieten. Hier gibt es mit Pamir und Tienschan die 2. und 3. höchsten Gebirge der Welt, nach dem Himalaya-Bogen. Durch seine Lage im Zentrum des Kontinents verfügt dieser Landstrich über eine jahrtausendalte lange Geschichte, deren Spuren bis heute an vielen Stellen zu sehen sind. Deswegen ist Zentralasien auf jeden Fall eine Reise wert. Für Individualtouristen ist es nach wie vor ein etwas schwieriges Terrain, besonders außerhalb großer Städte und Touristenzentren, vor allem wenn man kein Russisch spricht. Noch schwerer ist das Leben hier für die Individualwanderer, hauptsächlich wegen Orientierungsproblemen. Die Lage bessert sich jedoch langsam. Neue, bessere Straßen werden gebaut und in den Städten wächst das Angebot an Unterkünften ständig. Wenn man noch in den Bergen die Pfade verbessern und markieren würde, und gleichzeitig die Naturschutzbemühungen intensivieren würde, hätte Zentralasien das Zeug dazu, eins der weltweit beliebtesten Trekkinggebiete zu werden.
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